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Gilbert.Bintener

Im Gespräch mit Krisenmanager Yves Legil nach seinem Erdbebeneinsatz im Nepal – April 2015

 

 

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 Legil Yves

Im Gespräch mit Krisenmanager Yves Legil nach

seinem Erdbebeneinsatz im Nepal – April 2015

 

 

Interviewpartner:  Yves Legil, Mitglied des HIT*-Teams, der GSP* Luxemburg und Feuerwehr

Fragen:  Lilly Eischen, GSP-Mitglied und Mitarbeiterin im PsyCris-Projekt

L.E.: Nach deinem Einsatz vor ca. 3 Wochen im Nepal nach dem verheerenden Erdbeben wäre es interessant etwas über deine Erfahrungen zu hören die du vor Ort gemacht hast.

Y.L.: 

Wir waren ein vierköpfiges Team aus Luxemburg, welches im Auftrag des World-Food-Programm Gespräch Yves Legil mit PSY CRIS 001und im Rahmen des „Telecommunication Clusters“ die Aufgabe hatte, so schnell wie möglich die Internetkommunikation für alle „Partner“ (Rettungskräfte) herstellen, welche vor Ort Hilfe leisten. Nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti, hat es sich herausgestellt, dass gerade die Kommunikation von grosser Wichtigkeit ist, um die benötigte und richtige Hilfe anfordern und koordinieren zu können.
Luxemburg hat sich in diesem Kontext auf eine Internetlösung von „Emergency.lu“.spezialisiert, welche innerhalb von 2-3 Stunden steht; die herkömmlichen Systeme benötigen immer noch 2-3 Tage bis sie operationell sind.
Wir kamen ca 49 Stunden nach dem Erdbeben im Nepal an. Dabei waren wir insgesamt 1 Tag in Indien blockiert, da der Flughafen in Katmandu komplett überlastet war.
Es dauerte 5 Tage lang, bis wir vor Ort zum Einsatz ins Krisengebiet selbst geschickt wurden. In der Zwischenzeit halfen wir die Internetverbindungen innerhalb von Katmandu wieder herzustellen, aber auch LKWs entladen und Zelte aufrichten. Das Problem war, dass es schwierig war eine Einschätzung der Gesamtsituation und der genauen Schadenslage zu machen und zu definieren wo die Hilfe prioritär benötigt wurde. Anfangs standen nur 4 Helikopter zur Verfügung, was nicht ausreichte um die Situation des gesamten Landes schnellstmöglich zu erfassen. Katmandu selbst war vom Erdbeben kaum betroffen während andere Regionen, wie z.B. Chautara (knapp 100 km von Katmandu entfernt), wo wir zum Einsatz kamen, praktisch komplett in Schutt lagen.
Wir begaben uns in 2er Teams zu unterschiedlichen Orten in Chautara. Chautara ist eine Kleinstadt. Es führt nur eine einzige Strasse dorthin. Der Ort war schlecht zugänglich und längere Zeit von der Zivilisation abgeschnitten da die Strasse verschüttet und nicht mehr befahrbar war. In der Kleinstadt selbst stand kaum noch ein Stein auf dem anderen, die wenigen Häuser die noch standen waren baufällig und weder begehbar noch bewohnbar.

 

Gespraech Legil PSY CRIS 003                      Gespraech Legil PSY CRIS 002

 

In Chautara wurde ein „Field Hospital“ aufgebaut. Das UNDAC Team baute mit Hilfe von IHP ein SUB OSOCC auf. Für diese Einrichtungen bauten wir unser „Emergency.LU“ VSAT auf und sicherten so die Kommunikation via Satellit. Wir blieben nur 48 Stunden in Chautara.

L.E.: Wie war die Stimmung insgesamt bei den Rettungskräften?

Y.L.:

Bei den Rettungskräften gab es viel Frust, da es nicht zu einem Einsatz kam. Viele hingen in Indien fest bevor sie nach Katmandu einfliegen durften/konnten. Herbei ging so viel Zeit verloren, dass die USAR* „Urban Search & Rescue Teams“ praktisch umsonst gekommen waren. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass eine Rettung von Personen aus Trümmern nur innerhalb der ersten 72 Stunden möglich ist. Viele Rettungsteams (USAR) erreichten die Krisenregion erst viel zu spät um noch Hilfe leisten zu können. Insgesamt konnten nur wenige Personen gerettet werden.
Diese Teams sind praktisch alle INSERAG* zertifiziert, was bedeutet, dass sie internationale Richtlinien erfüllen und berechtigt sind diese Arbeit auszuführen. Es handelt sich dabei um ein gewisses Qualitätssicherungslabel, welches nach Haiti erstellt wurde. In diesem Kontext gibt es Medium & Heavy Teams. Man war sich wohl nicht bewusst, wie schwierig es war, ein solches „Medium Team“ von ca 40-50 Leuten mit Ausrüstung und Technik in die Krisenregion zu bringen. Das sind Tonnen und Tonnen von Material. Hier im Nepal war dies praktisch unmöglich. In Chautara waren nach einer Woche immer noch keine USAR Rettungskräfte eingetroffen und die Teams die später eintrafen wurden alle umgedreht, da ihr Einsatz nicht mehr als sinnvoll angesehen wurde. Viele Mitglieder dieser Rettungsteams waren sehr frustriert.

L.E.: Wie sah es mit den ONGs vor Ort aus?

Y.L.:

Es tauchten diesmal sehr viele ONGs vor Ort auf, das war das Spezielle. Sie kamen nach dem Motto: Man muss sich zeigen wenn man Geld einnehmen will. Ihr Ziel eine gute Öffentlichkeitsarbeit und später dann viele Einnahmen. Das war diesmal ein ganz grosses Problem, weil enorm viele ONGs ankamen, die nicht organisiert waren und dazu auch keinerlei Erfahrung hatten. Trotzdem muss man sagen, dass es aber auch viele ONG’s gab die sehr gute Arbeit leisteten und vielen Menschen das Leben retteten.

L.E.: Wie sah es aus mit einer gewissen „Preparedness“ in der Region?

Y.L.:

Es ist so, dass Nepal in einer Erdbebenzone liegt und deshalb seitens der UN bereits im Vorfeld des Erdbebens eine Reihe von Massnahmen hinsichtlich „preparedness“ getroffen hatten. Es gibt in Katmandu Büros des „UNHCR“ und des „World Food Programms“. Man war vorbereitet und hatte für den Ernstfall bereits einiges an Ausrüstung dort vorrätig. Somit gab es z.B. neben dem Flughafen, wo unser Team anfangs basiert war, Zelte und etwa 5 Container mit Ausrüstung und Gerät, welches von dort aus sofort verschickt werden konnte. Diese logistische Basis stellte in der Krise einen grossen Vorteil dar. Sie wurde später noch ausgebaut.

L.E.: Wie gingen die betroffenen Einwohner mit der Krise um?

Y.L.:

Die Nepalesen sind an schwierigere Lebensbedingungen gewohnt, dies wegen der Wetterbedingungen, der Höhenlandschaft, der geographischen Lage und der Topographie der Gegend. So ist es keine Seltenheit für diese Menschen, die in den Berg wohnen, eine Wegstrecke von 2-3 Stunden zurückzulegen bis sie eine grössere Ortschaft erreichen. Das heisst, dass sie daran gewohnt sind, dass es insgesamt schwieriger und heftiger zugeht. Es bedeutet, dass sie in der Krise härter sind als andere Länder wie z.B. Länder in Mitteleuropa. Sie sind einfach weniger bequem.
Beispiel: Während wir in unseren Ländern abwarten bis der Krankenwagen vor Ort kommt, so erledigen die Nepalesen bereits eine gewisse Arbeit indem sie z.B. hier dem Krankenwagen mit dem kranken Patienten entgegen gehen. Oder anstatt darauf zu warten, dass ihnen das Essen gebracht wird, sind sie bereit einen 2-3 stündigen Fussmarsch auf sich zu nehmen, um zu einer Sammelstelle zu gelangen wo das Essen verteilt wird. Diese Dinge wurden problemlos akzeptiert.

L.E.: Wie war die Lage in Chautara?

Gespraech Legil PSY CRIS 004Y.L.:

Nach dem 1. Erdbeben waren die Häuser in Chautara nicht mehr bewohnbar und glücklicherweise sind die Einwohner nicht dorthin zurückgekehrt um zu übernachten, sonst wäre die Opferbilanz im Anschluss an die Nachbeben noch verheerender ausgefallen. Viele Einheimische hatten sich neben dem „Fieldhospital“ eingerichtet und halfen dort mit, ihr  Leben selbst zu organisieren.
Dabei halfen alle vom Kind bis zu den Älteren mit, z.B. bei der Zubereitung des Essens.    Alles lief sehr diszipliniert ab und es gab eine sehr grosse Hilfsbereitschaft zwischen den Menschen.

L.E.: Wie war die Lage insgesamt?

Y.L.:

Es war schon komisch zu sehen, dass in Katmandu kaum Schäden zu verzeichnen waren, nur einige Monumente zerstört wurden und das Leben normal weiter lief, während in 50 km Entfernung, kein Stein mehr auf dem anderen stand. Dies ist vor allem geographisch bedingt, weil dieses Erdbeben direkt unter der Erdoberfläche stattfand, dann war es aber auch bedingt durch die Bauweise. Die Häuser im ländlichen Bereich waren nicht so robust gebaut und lagen teilweise am Hang wodurch sie abrutschen konnten.
Kriseneinsatzteam in Katmandu.

L.E.: Wie sah es mit der psychosozialen Hilfe im Krisengebiet aus?

Y.L.:

Unser Team war kurzzeitig in einem Hotel untergebracht, wo wir die Möglichkeit hatten mit einer Psychologin von MSF* zu reden. Einen Tag bevor wir wieder nach Hause fuhren, war diese Frau immer noch nicht zum Einsatz gekommen; es gab einfach keinen Bedarf dafür.
Meiner Meinung nach ist die psychosoziale Hilfe für Einwohner in einem solchen Krisengebiet in einer 1. Phase nicht wirklich möglich. In einer 2. Phase ist es dann schon möglich und langfristig gesehen auch bestimmt sinnvoll. Zu dieser Problematik hat man sich bereits Gedanken gemacht und Organisationen wie „World Vision“ „MSF“ und „Rotes Kreuz“ bieten mittlerweile Ausbildungen an für Landsleute aus Krisenregion. Diese erhalten eine Ausbildung um später dann selbst eine gewisse Betreuung durchführen zu können. Dies passiert sozusagen nach dem Motto: „Man kann keine Betreuung organisieren, wenn man die Sprache nicht beherrscht und die Kultur nicht kennt“. Dies gilt umso mehr für die therapeutische Hilfeleistung. Dies ist ein Thema woran künftig noch sehr viel gearbeitet werden muss. Einige ONGs haben in diesem Bereich in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht.

L.E.: Wie sieht es aus mit der Vorbereitung und Nachbetreuung von Einsatzkräften?

Y.L.:

Dies ist ein sehr wichtiges Thema für mich, mit welchem ich mich seit einigen Jahren beschäftige. Nach Haiti wurde hierüber noch nicht geredet, heute tut man dies schon, da bewegt sich etwas. So zB. bereitet das THW seit ca 3 Jahren seine Leute auch im psychosozialen Bereich vor. Dies tut man auch in Luxemburg. Über andere Länder kann ich dazu keine Angaben machen, nehme aber an, dass auch das Militär seine Soldaten, auf ihre Einsätze in Krisengebieten vorbereitet.…

L.E.: Wie siehst du die Vorbereitung von Krisenmanagern auf Auslandseinsätze?

Y.L.:

Meiner Meinung nach ist generell eine gute Vorbereitung auf die Extremsituation im Vorfeld des Einsatzes von höchster Wichtigkeit. Dies gilt für die Krisenmanager selbst aber auch für ihre Familien und für die Mitglieder des Auslandsteams (HIT-Team), welche zu Hause bleiben.
Dabei sind nachstehende Aspekte wichtig:
1. „Preparedness“ für Familien:
Es ist wichtig, dass Familienmitglieder von Krisenmanagern, welche in den Auslandseinsatz gehen, eine Ausbildung erhalten; dies bereits lange vor einem Einsatz. Es sollte eine kurze Ausbildung mit Präventionscharakter sein, welche Ängste abbaut und den Familien die Problematik, die Symptomatik, mögliche Reaktionen usw. erklärt. Alle Aspekte sollten zusammengefasst werden und den Familien schriftlich mit auf den Weg gegeben werden.
Beispiele:
➡ Wie und warum kann das Verhalten eines KM nach seiner Rückkehr aus einem Krisengebiet verändert sein und wie gilt es sich in dieser Situation zu verhalten? Muss man sich Sorgen machen oder ist das Verhalten normal? Wie sollte man den Rückkehrern begegnen und wie mit der Situation umgehen?
➡ Was benötigt ein KM nach seiner Rückkehr aus einem Krisengebiet?
➡ Wie sollte man mit Medien/Reportern umgehen, falls diese ev. zu Hause anrufen?
➡ Nationale Unterstützung: die Familien müssen die Sicherheit haben, dass von offizieller Seite alles unternommen wird, um die maximale Sicherheit der KM im Auslandseinsatz zu gewährleisten.

L.E.: Gibt es diese Formation für Familien bereits in Luxemburg?

Y.L.:

Die Formation wurde ausgearbeitet und soll im Herbst 2015 erstmals in Luxemburg durchgeführt werden.

L.E.: Besteht diese Formation bereits in anderen Ländern

Y.L.:

Ja das THW* hat sie dieses Jahr für die Ebola Einsätze durchgeführt.
1.Dabei war NOAH* sehr stark engagiert.
2. Hotline für Familien während des Auslandseinsatzes:
Für Familien sollte sichergestellt sein, dass sie über eine spezielle Hotline jederzeit jemanden erreichen können, um ihre Fragen zu stellen oder aktuelle Infos nachzufragen.
BSP: Im Falle eines Nachbebens in der Krisenregion bricht innerhalb von Sekunden die gesamte Kommunikation zusammen. Die Medien melden das Beben bereits kurze Zeit nach dem Ereignis. Es kann sein, dass es den KM dann nicht mehr gelingt eine SMS an die Familien durchzubringen, dass es ihnen gut geht. Es dauert nach dem Beben eine gewisse Zeit bis die Kommunikation wieder steht. Diese Zeitspanne von Ungewissheit, ist für die Familien zu Hause die Hölle und sehr schwierig durchzustehen. Die Erfahrung lehrt, dass in dieser Zeitspanne die Telefone heiss laufen. Hier ist eine Hilfestellung notwendig u./o. auch ein Informationssystem, welches schnellstmöglich aktuellste Informationen an alle betroffenen Familien weiterleitet.
3. Psychologische Unterstützung bei Abflug/Rückkehr aus dem Krisengebiet.
Ich bin davon überzeugt dass die Familien und der KM selbst sowohl beim Abflug als auch der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz psychologische Unterstützung benötigen. Diese Unterstützung ist wichtig, sie kann im Hintergrund bleiben, sie muss aber da sein für den Fall, dass es Fragen gibt oder Probleme auftreten. Es gilt Präsenz zu zeigen ohne aufdringlich zu werden.
Beispiel: Ein Haiti-KM hat mir einmal Folgendes gesagt: „Als ich auf dem Rückflug aus dem Krisengebiet im Flugzeug erfuhr, dass du am Flughafen bist, war ich beruhigt, da ich wusste, dass ich unterstützt wäre, wenn es sein müsste………“
Damals war ich nicht selbst im Kriseneinsatz sondern für die psychosoziale Unterstützung der rückkehrenden Krisenmanager am Flughafen.
Die Person, welche diese Tätigkeit ausführt, kann sich ebenfalls z.B. um die Kontakte und Absprachen mit der Presse kümmern, die von grösster Wichtigkeit im Kontext eines respektvollen Umgang mit den Familien sind. (Wo? Wie? Wann? Was? darf fotografiert werden, was sollte unterbleiben?)
4. Auch ein Nachgespräch zwischen den einzelnen Team-Mitgliedern des Auslandskrisenteams halte ich für wichtig um Erfahrungen auszutauschen, Probleme zu diskutieren und die „Lessons-Learnt“ zu ziehen.
5. Information des zu Hause gebliebene HIT-Teams:
Die Mitglieder des HIT-Teams, welche zu Hause geblieben sind, sollten meiner Meinung nach regelmässig, am besten jeden 2. Tag, über die aktuelle Situation ihrer Kollegen im Krisengebiet informiert werden. Es handelt sich bei den Teams oft um kleinere Mannschaften, um Spezialteams, welche sich persönlich untereinander gut kennen und wo jeder sich dann so seine Gedanken macht. Jedes Teammitglied weiss wie es sich anfühlt, irgendwo im Ausland in einer Krisenregion zu sitzen, jeder macht sich dazu seine Gedanken und da wäre eine regelmässige Information über die Lage schon wichtig und erwünscht, dies auch im Sinne des Team-buildings.
6. Teambildungsmassnahme:
2-3 x pro Jahr sollte man auch eine „Teambildungsmassnahme“ durchziehen, wie z.B. im Team Grillen oder Kegeln. Hier sollten auch die Ehefrauen u. Familien des Auslandskrisenteams miteinbezogen werden, um sich besser kennen zu lernen. Im Ernstfall stellt auch dies einen positiven und unterstützenden Aspekt für das Team und die KM dar.
7. Erstellen von Checklisten vor dem Kriseneinsatz:
Es gilt auch im Vorfeld eines Auslandskriseneinsatz eine ganze Reihe von harten Themen und Formalitäten zu besprechen und zu regeln, z.B. für den Fall, dass der Krisenmanager verletzt oder eventuell sogar sterben würde. Dies kommt in Auslandseinsätzen regelmässig vor und das Thema „Tod“ ist sehr reell. Es handelt sich eben um Extremsituationen.
Beispiele: Im Nepal ist ein Helikopter abgestürzt wobei 8 Rettungskräfte starben. Auch in Haiti gab es damals 4-5 Todesfälle und weltweit kamen letztes Jahr etwa 100 Mitglieder von ONGs im Einsatz ums Leben. Auch Kidnapping und Shootings werden häufiger. Das Todesrisiko ist in solchen Auslandseinsätzen immer präsent. Deshalb gilt es im Vorfeld des Einsatzes ein Testament zu hinterlegen, Versicherungen, Prozeduren mit Ministerium und die finanzielle Absicherung der Familie sicherzustellen. Nichts darf dem Zufall überlassen werden. Es gilt auch spezielle Formulare auszufüllen mit persönlichen Basisinformationen wie z.B. medizinische Infos, Allergien, Blutgruppe, Hausarzt, Vorgeschichte, Zahnarzt – Zahnschema zu hinterlegen. Desweitern gilt es 3 Kontaktpersonen zu benennen und zu definieren wie oft die Familie des KM von Verantwortlichen des Auslandsteams angerufen werden möchte um informiert/unterstützt zu werden? Jeden Tag, 1x pro Woche, gar nicht…
Im Krisenfall nämlich muss der KM innerhalb von kürzester Zeit (1-2 Stunden) bereit sein für den Abflug ins Krisengebiet. Er hat keine Zeit mehr irgendetwas zu regeln. Da muss er sich voll auf den bevorstehende Einsatz konzentrieren und einstellen. Alle Faktoren die Stress bedeuten können, müssen so weit wie möglich im Vorfeld abgestellt werden, damit sich der KM ganz auf seine Aufgabe konzentrieren kann. Deshalb sind Checklisten im Vorfeld sehr wichtig, weil der KM sicher ist, dass alles Notwendige geregelt ist und seine Familie im schlimmsten Falle abgesichert ist.

L.E.: Ein anderes aktuelles Thema: Ist es sinnvoll, dass ein PSY mit ins Krisengebiet geschickt wird, um das Krisenteam zu unterstützen.

Y.L.:

Meiner Meinung nach müsste der Begleiter nicht unbedingt ein PSY sein, eher sogar nicht. Aber es könnte ein PEER sein, das wäre in manchen Fällen schon sinnvoll. Er käme im PSY-Bereich nur zum Einsatz falls dies wirklich notwendig würde. Auch könnte ein PEER z.B. im Falle von vermissten luxemburgischen Landsleuten im Nepal, wichtig sein, um sich um die Formalitäten und notwendigen Prozeduren zu kümmern. Es gibt im Nepal keine luxemburgische Botschaft und somit hätte die luxemburgische Regierung, in einem solchen Fall, mit Sicherheit ein Mitglied unseres vier köpfiges Team beauftragen müssen um sich der Sache anzunehmen bis ein Botschafter vor Ort angereist wäre. Die Frage stellt sich ob unser Team mit einer solchen Aufgabe nicht überfordert gewesen wäre, da die Mitglieder für derartige Situationen nicht ausgebildet sind.

L.E.: Fühltest du dich ausreichend auf deinen Nepal-Einsatz vorbereitet?

Y.L.:

Diese Frage würde ich mit „ja“ beantworten. Durch meine Ausbildung bei der Feuerwehr, als Mitglied der GSP und des HIT-Team, sowie durch meine Erfahrungen in Auslandseinsätzen (z.B. Tsunami in Thailand) fühlte ich mich gut vorbereitet und wusste was zu tun war. Der Fakt, dass ich meine Familie gut vorbereitet hatte, stellt eine Unterstützung/Sicherheit dar. Ein Vorteil bedeutet auch meine Mitarbeit in der Organisation des HIT-Teams, wo ich viele SOPs (Standard Operation Procedures) erstelle, wo der PSY-Bereich sehr wichtig ist.

L.E.: Wie sieht der Empfang bei der Rückkehr aus dem Auslandseinsatz aus?

Y.L.:

Hier stellt sich natürlich die Frage, wie man als KM empfangen werden will bei seiner Rückkehr nach Hause. Möchte man am Flughafen von der Familie, den Verantwortlichen, den Kollegen, der Direktion, von Politikern, der Presse, dem Minister, dem Grossherzog empfangen werden? Auf der einen Seite würden die Familie und die Freunde bereits ausreichen, wir wollen ja kein grosses Aufsehen machen. Auf der anderen Seite aber war das Krisenteam Thema des öffentlichen Interesses, also wird die Presse vor Ort sein um zu berichten. Das Team war ebenfalls im nationalen u/o internationalen Auftrag unterwegs und hat das Land vertreten; dazu kommt dann noch das Projekt „emergency.lu“, wofür wir natürlich auch gerne etwas Werbung machen. So gesehen gehört ein gewisser öffentlicher Empfang bei der Rückkehr aus einem Krisengebiet mit zur Arbeit dazu.
Für mich persönlich ist es so, dass im Augenblick der Rückkehr der Presserummel schon etwas schwierig ist, aber nach 2 oder 3 Tagen, empfindet man es dann doch auch als wichtige Anerkennung. Wir wollen nicht unbedingt in den Medien sein und sind dann doch irgendwie stolz wenn wir es sind. Ich habe mir in dem Kontext auch schon mal die Frage gestellt, wie würde sich das Team fühlen, wenn bei der Ankunft nur die Familie zugegen wäre. Das wäre irgendwie auch nicht normal.
Was aber wichtig ist für die KM bei ihrer Rückkehr aus dem Krisengebiet, sind die Absprachen mit der Presse in Bezug auf die Fotos. Bisher sind wir immer gut mit Presse klar gekommen. So haben wir vereinbart, dass Fotos nur geschossen werden können auf ein Zeichen hin, dass der Wunsch besteht keine Kindergesichter auf den Fotos zu haben und auch keine Tränen. Es sollte nur die Freude auf den Bildern zu sehen sein. Also bisher hat es mit diesen Absprachen ziemlich gut geklappt. Die Presse hat sich mir gegenüber bisher immer fair verhalten. Sie hat nur freudige Bilder gezeigt und meine Wünsche respektiert, was ich als sehr positiv empfand. Eine gute Pressearbeit im Vorfeld der Ankunft ist schon sehr wichtig.
Im Falle wo ein Todesopfer im Rahmen eines Kriseneinsatzes zu beklagen wäre, müsste man nochmals über andere Empfangsmöglichkeiten nachdenken u.a. um die Familien zu schützen.

L.E.: Wie könnte das PsyCris-Projekt positiv auf das Krisenmanagement einwirken?

Y.L.:

Ich könnte mir vorstellen, dass man im Rahmen des PsyCris-Projektes eine „Guidance“ betreffend die Vorbereitung von Rettungskräften erstellen könnte.
Das Rote Kreuz hat hier bereits einiges erarbeitet. Auch die Organisation „World Vision“ hat dazu bereits Papiere erstellt. Ich könnte mir vorstellen dass man eine „Guidance“ erstellt in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Partnern, aus welcher dann jedes Land, für seine spezifische Situation, die wichtigsten Elemente heraus ziehen könnte.
In Bezug auf das BFB*-Training möchte ich sagen, dass ich BFB als Vorbereitung im Kontext mit den Rettungskräften eher kritisch betrachte. Ich habe Zweifel, dass es von einer Mehrheit angenommen wird. Die Auslandsteams verfügen über sehr viel Erfahrung. Ich bin der Meinung, dass durch schlimme Erfahrungen in Krisengebieten, die sich langsam verstärken und denen man 24/24 Stunden ausgesetzt ist, eine Adaptation an die Situation möglich ist. Diese Krisenmanager benötigen dann ev. Entspannungstechniken, da sie sich in einem Dauerstress durch permanente Alarmbereitschaft befinden, ich weiss aber nicht ob BFB, was ich für sehr psy-orientiert halte, hier das richtige Mittel ist, vielleicht würden sich Methoden wie „Autogenes Training“ oder ähnliches als sinnvoller erweisen.

L.E. Herzlichen Dank für das Gespräch.

* GSP Groupe de support psychologique Luxembourg
* KM Krisenmanager
* HIT-Team Humanitarian Intervention Team
* MSF Médecins sans frontières
* INSERAG International Search and Rescue Advisory Group * THW Technisches Hilfswerk
* NOAH Nachsorge, Opfer – und Angehörigenhilfe
* USAR Urban Search and Rescue Teams.
* BFB Biofeedback
www.emergency.lu